Der Unterschied zwischen Bildbearbeitung und Bildverarbeitung

Vor ein paar Tagen kam es wieder einmal zu einem Gespräch, das sich häufiger ergibt. Und zur Folge hatte, dass ich über Bildbearbeitung und Bildverarbeitung redete. Der Wortlaut war etwa der folgende:

„Du machst Bildverarbeitung? Dann kannst du also richtig gut mit Photoshop umgehen, ja?“

Nun ja, ich kann mit Photoshop umgehen. Ob „richtig gut“ ist eine andere Frage, aber zu meinem Beruf gehört das nicht. Photoshop ist (m)ein Hobby! Jedoch zeigte mir dieses Gespräch wieder, dass viele keinen Unterschied zwischen Bildbearbeitung und Bildverarbeitung sehen. Ich bin darüber nicht böse. Im Gegenteil, denn auch ich sah vor ein paar Jahren noch keinen Unterschied. Damit der interessierte Leser ihn auch kennt, werde ich im Folgenden beides mal etwas näher betrachten.

Bildbearbeitung

Beginnen wir mit dem Begriff, der meiner Meinung nach der bekanntere ist: die Bildbearbeitung. Bildbearbeitung hat sich inzwischen zu einem ganz normalen und alltäglichen Bestandteil unseres Lebens entwickelt. „Leider!“ muss man fast sagen, denn bei der Bildbearbeitung geht es um die Veränderung von Bildern. Im einfachsten (und akzeptablen) Fall werden auf Fotos vom Abschlussball oder der Hochzeit kleine Hautunreinheiten entfernt, bei Urlaubsbildern die Sättigung der Farben etwas erhöht oder, aus Spaß Prominente mit in das Bild kopiert.

Der unschöne Weg ist jedoch, was uns tagtäglich von der Werbeindustrie präsentiert wird. Da lächelt uns ein Mund vom Werbeplakat entgegen, der jeden Zahnarzt arbeitslos werden lässt, Models zeigen Haut, in deren Nähe sich nie eine Falten- oder Pickelcreme verirren wird und kleine Fettpölsterchen scheinen allergisch auf Modells zu reagieren und meiden diese daher konsequent.

Die Fotos werden manipuliert

In beiden Fällen wurden die Fotos im Nachhinein manipuliert. Eine der bekanntesten Software dafür ist Adobe Photoshop. Mit ihr ist es ein Leichtes, eine Hautunreinheit zu entfernen und Zähne aufzuhellen. Neuere Versionen schaffen es sogar fast spielend, Proportionen zu ändern. Selbst das Bewegen von Gliedmaßen kann heutzutage von Laien durchgeführt werden, um so ein Bein noch etwas mehr anzuwinkeln. Im Falle von Modells entsteht für den Betrachter, in den meisten Fällen also den Kunden, ein fast nicht erreichbares Schönheitsideal. Und es wird oftmals suggeriert, dass diese Schönheit mit dem angepriesenen Produkt erreichbar ist. In der Realität jedoch sehen die Modells selbst nicht perfekt aus, aber der Kunde vergleicht sich nicht mit dieser Realität, sondern mit Plakaten und Werbeseiten. Und das sind nun mal bearbeitete Bilder. Deshalb spreche ich hier von der unschönen Seite der Bildbearbeitung. Im Folgenden mal zwei Beispiele, weitere gibt es unter retouchshoppe.com zu sehen.

Bildmanipulation und ihre schöne Seite

Aber um nicht mit dem Negativen zu Enden: es gibt auch sehr schöne Beispiele für Bildbearbeitung. So mancher Künstler erstellt ganze Welten in Photoshop. Und wieder andere zerstören Welten in Photoshop 😉

Bildverarbeitung

Kommen wir nun zu der Bildverarbeitung, also dem Themengebiet, mit dem ich wirklich mein Geld verdiene. Im Gegensatz zur Bildbearbeitung geht man bei der Bildverarbeitung davon aus, dass in einem Bild Informationen stecken. Und damit meine ich nicht Urlaubs- oder Werbefotos mit einem Text oder einer Uhrzeit. Ich meine Bilder von beispielsweise Produkten auf einem Fließband, die während des Produktionsprozesses aufgenommen werden. Aber bevor ich mich in Beschreibungen verliere, einfach mal ein konkretes (jedoch in diesem Fall ausgedachtes) Beispiel:

Bildverarbeitung anhand eines Beispiels

Wir haben eine Maschine, welche pro Minute 1.000 Dübel fertigt. Auf einem Fließband kommen die fertigen Dübel dann aus der Maschine heraus. Eine Fachkraft prüft nun regelmäßig, ob die Dübel korrekt gefertigt wurden. Sie dürfen also nicht zu lang, zu kurz, zu dick oder zu dünn sein. Dazu wird immer wieder ein Dübel vom Fließband genommen und akribisch vermessen. So werden vielleicht zwei Dübel pro Minute geprüft. Nun ist ein Dübel tatsächlich zu dick geworden ist, also greift der Facharbeiter einen zweiten und dritten Dübel und misst auch bei diesen nach. In der Zwischenzeit produziert die Maschine aber fleißig weiter. Nach rund zwei Minuten sind alle drei Dübel vermessen und die Maschine wird gestoppt, da er jetzt weiß, die Produktion ist fehlerhaft. Innerhalb dieser Zeit hat die Maschine aber fleißig 2.000 weitere Dübel gefertigt – und alle sind zu dünn!

Die Software ist schneller als der Mensch

Hier kommt nun die Bildverarbeitung ins Spiel. Es wird also über dem Fließband eine spezielle Kamera montiert, welche die produzierten Dübel fotografiert. „Speziell“ deshalb, weil sie nicht für den Urlaub geeignet ist: sie wird in der Regel direkt über einen PC gesteuert, besitzt ein komisches Format, kann aber auch sehr schnelle Objekte scharf aufnehmen. Die Aufnahmen der Dübel werden dann an eine Software weitergeleitet. Diese Software kann dann mit entsprechenden Algorithmen die Dübel auf den Bildern erkennen und weiß durch voreingestellte Parameter, wie groß der Dübel sein sollte. Der Soll- sowie der Ist-Zustand werden durch die Software miteinander verglichen. Ist die Abweichung zu groß, sendet die Software ein Signal aus, dass die Produktion fehlerhafte Objekte hervorbringt und gestoppt werden muss. Aufgrund der schnellen Auswertung durch die Software wurden vielleicht nur 100 statt 2.000 weitere fehlerhafte Dübel produziert. Und eine solche Software könnte jemand wie ich programmiert haben.

Solche Verfahren wie in diesem Beispiel sind in der heutigen Industrie Standard, wobei natürlich auch andere Qualitätskontrollen durchgeführt werden, die nicht durch eine Kamera und einen PC machbar sind. Als Beispiel sei hier mal die Geschmacks- und Duftprobe genannt. Oder auch die Überprüfung des Gewichtes.

Weitere Beispiele aus dem Alltag

Aber zurück zur Bildverarbeitung. Es liegt in der Regel ein Bild vor und man will daraus Informationen extrahieren. Dies kann eine eingescannte Buchseite sein, die in ein bearbeitbares Worddokument umgewandelt wird. Oder ein Auto, welches die Straßenschilder erkennt und dem Fahrer anzeigt, was die aktuell erlaubte Höchstgeschwindigkeit ist. In der Medizintechnik wird die Bildverarbeitung zu Diagnosezwecken aber auch bei Operationen (zum Beispiel am Auge) angewandt. Aktuelle Smartphones beobachten die Augen des Nutzers und schalten ggf. das Display aus um Strom zu sparen. Und gelähmten Menschen soll durch die Beobachtung der Augen die selbstständige Steuerung des Rollstuhls ermöglicht werden. Das alles ist bzw. wird möglich durch Bildverarbeitung. Es werden also keine Bilder manipuliert, sie werden auf die darin enthaltenen Informationen überprüft und ausgewertet. Zwei kleine Beispiele findet ihr hier:

Ich hoffe nun, dass ich erklären konnte, was der Unterschied zwischen Bildbearbeitung und Bildverarbeitung ist. Und dass meine Erklärungen verständlich und nicht zu fachspezifisch oder gar oberflächlich sind. Solltet dennoch etwas unklar sein oder einfach Fragen auftreten, so könnt ihr diese gerne stellen. Sofern möglich werde ich sie natürlich beantworten.


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